Bericht vom 37. New York City Marathon (05. November 2006)


05:00h. Morgens. 3° Celsius. Stockfinster. Manhattan. Mitten in Manhattan. Eingewickelt in wärmende Klamotten. Spannung. Vorfreude. Frieren und Frösteln. Einsteigen in den - von unserem Reiseveranstalter - gebuchten Bus, der uns nach Staten Island bringt, wo der New York City Marathon starten soll.

Dort werden wir bereits jubelnd von offiziellen sogenannten Cheerleadern begrüsst - schliesslich soll der anstehende Tag ja ein ganz besonderer werden. Im Startbereich gibt es ausreichend Gebäck, Tee, Kaffee, Gatorade und auch Powerbar-Riegel. Keinerlei Warteschlangen so früh am Morgen. Wir suchen uns ein Plätzchen, wo wir in der Kälte stehend/sitzend auf den Start warten können. Endlich geht es los!

Der Marathon wird uns durch alle fünf Stadtteile von New York führen. In Staten Island laufen wir allerdings nur wenige Meter, denn kurz nach der Startlinie erreichen wir bereits die Verrazano-Brücke. Ich laufe. Ich laufe den New York Marathon. Den berühmten und legendären New York Marathon. Ich bin dabei. Jetzt. Genau in dieser Stunde. Mittendrin. Ein wohliges Freude-Gefühl stellt sich ein - ich freue mich auf die nächsten Stunden!

Nach dem Überqueren der Verrazano-Brücke erreichen wir Brooklyn - den zweiten Stadtteil unserer "Reise". Hier treffen sich auch die vielen Läuferströme aus den diversen Startblocks (die offizielle Vereinigung findet sogar erst bei Meile 8 statt). Ich nutze die - eher etwas trostlosen - Gegenden, um erstmal meine optimale Laufgeschwindigkeit zu finden, mich richtig einzulaufen. Es gibt viele - ja, fast sogar schon zu viele - Getränkestände. Ich nehme nur bei jedem zweiten eine Flüssigkeit zu mir - und zwar nicht Wasser, sondern ein Elektrolytgetränk.

In Brooklyn geht es immer wieder etwas auf und etwas ab. Immer geradeaus. Eine endlos lange Strecke. Irgendwann erreichen wir Williamsburg. Hier leben viele orthodoxe Juden. In entsprechender Kleidung stehen sie auf der Strasse und schauen uns Marathonläufern emotions- und regungslos zu. Während in Brooklyn seitens der Zuschauer immer wieder ganz gute Stimmung war, ist es hier oft fast gespenstisch still.

Mit dem Überqueren der Pulaski-Brücke erreichen wir nicht nur die Halbmarathon-Marke, sondern auch den dritten Stadtteil unserer Strecke: Queens. Ein Stadtteil, den Sportler am ehesten noch mit dem berühmten Tennisplatz "Flushing Meadow" assoziieren. Doch davon sind wir meilenweit entfernt - laufen durch eine Gegend, die durch Fabriken, Industrie und teils heruntergekommene, sanierungsbedürftige Gebäude gekennzeichnet ist. Dennoch auch hier erstaunlich viele, gut gelaunte Zuschauer an der Strecke.

Wir erreichen die Queensboro-Brücke. Knapp zwei Meilen lang haben wir hier eine gänzliche andere Geräuschkulisse: keine Zuschauer auf der Strecke. Nur die Schritte der Läufer hört man - und den Autoverkehr, der über unseren Köpfen hinwegdonnert, da wir auf der zweiten Ebene dieser Brücke laufen. Wunderschöner Blick auf Manhattan! Und plötzlich sieht man tief unter sich auf der First Avenue - Marathonläufer! Ja, ich habe richtig gesehen! Nach der Brücke kommt eine scharfe und steile Linkskurve und dann geht's unterhalb der Queensboro-Brücke auf der First Avenue entlang! Hier in Manhattan werden wir lautstark von einer Zuschauermasse begeistert empfangen! Das gibt einen unglaublichen Motivationsschub! Obwohl ich den gar nicht nötig hatte - denn bei diesem Marathon fehlte mir keine einzige Sekunde lang die Motivation! Nun geht es viele, viele Meilen immer geradeaus auf der First Avenue in Richtung Haarlem entlang. Und immer diese begeisternden Zuschauer! Ganz grosse Klasse! Jetzt weiss ich, warum ich hierher gekommen bin! Um genau das zu erleben! Ich geniesse! :-)

Über eine etwas steile und vor allem sehr enge (für ein breites Läuferfeld zu enge) Brücke erreichen wir nun auch den fünften Stadtteil unseres Rennens: die berühmt-berüchtigte Bronx. Mag ja sein, dass die - meist farbigen - Bewohner dieses Stadtteils einen gewissen unrühmlich Ruf haben, doch was sie uns heute bieten ist gleichermassen sensationell: Stimmung, Anfeuerungsrufe, Begeisterung, Musik, Singen, breit lächelnde und aufmunternde Gesichter!

Gerade hier in der Bronx, ein Stadtteil, der mich seit je her fasziniert und den ich am Folgetag auch noch mal in Ruhe besucht hatte - gerade hier in der Bronx wäre ich gerne noch länger gelaufen, doch bereits nach kurzer Zeit geht es wieder zurück nach Nieuw-Amsterdam (ähm ... heute auch Manhattan genannt). Nun geht es einige Kilometer die Fünfte Avenue hinauf. Jawohl, hinauf! Nicht sonderlich steil, aber stetig. Das wird nochmal richtig anstrengend. Aber dank der - auch hier - begeisterungsfähigen Zuschauer meistere ich auch diese Herausforderung mit einem dankbaren Lächeln im Gesicht. Denn jetzt kommt das "Finale furioso": die letzten Meilen durch den Central Park! Hier hatten wir die letzten Tage bereits ein bißchen trainiert und kannten uns bereits bestens aus! Ähnlich einer Berg-und-Tal-Bahn auf einem Rummelplatz ging's nun auf und ab. Und auch hier - ich habe es noch nicht oft genug erwähnt, gell? - begeisterte Zuschauer aus aller Herren Länder! Vor allem von Zuschauergruppen aus Deutschland und Österreich lasse ich mich hier nochmal ganz besonders anfeuern, ehe nach etwas mehr als 42 Kilometern bzw. 26 Meilen das Ziel am Tavern-Green im Herzen des Central Parks erreicht ist.

Gleich bekommen wir eine Alu-Decke und die Medaille umgehängt, sowie etwas zu trinken. Der restliche Nachzielbereich ist allerdings extrem unprofessionell organisiert und sorgte - nicht nur bei mir - für eine Menge Frust. Doch dieser Frust verflog recht schnell - die Begeisterung über diese erfolgreiche Marathon-Teilnahme überwog alles! :-)

Achso: welche Zeit ich gelaufen bin? War für mich heute - ehrlich gesagt - Nebensache. Aber für die Statistiker: es waren vier Stunden und 15 Minuten.

Offizielle Fotos von mir:
http://www.brightroom.com/go.asp?14859545

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© November 2006 erstellt von Martin J. Zimmermann.
Letzte Änderung dieser Seite: 11. November 2006.