Bericht vom 32. real Berlin Marathon (26. September 2005)


Liebe Familie, Freunde, Bekannte,

... der Bericht für meinen ersten Marathon 2004 in Berlin steht zwar noch aus (ich weiss), aber jetzt gibt's dafür ganz brandaktuell den versprochenen Kurzbericht zum diesjährigen Berlin-Marathon. Es sollte mein insgesamt dritter Marathon sein:

Anfahrt am Freitag mit dem ICE (Lidl-Ticket!) und gleich im Bahnhof Zoo ein bisschen Pasta gegessen. Übernachtung in der UFA-Fabrik. Samstag Frühstück in Steglitz mit Freunden und Bekannten. Dann auf die Messe gegangen, um die Startunterlagen abzuholen. Habe mich kurz mit Herbert Steffny unterhalten (nach dessen Plänen ich trainiert habe) und auch mit Michel-on-Tour Descombes (dem französischen Marathon-Spass-Präsidenten). Ausserdem zahlreiche Leute getroffen, die ich kenne (teilweise sogar völlig durch Zufall - die Welt ist manchmal eben klein) und Erdinger Alkoholfrei gab's auch - wie schön. Ausserdem habe ich mich am Stand des Paris-Marathons informiert - das wir im Frühjahr mein nächster (und insgesamt vierter) Marathon sein.

Abends dann zur Pastaparty in Wilmersdorf, welche von meinen Berlin-Marathon-Freunden organisiert wurde und wo ich auch all diese getroffen habe. War eine wundervolle Party und sehr lecker. Abends dann noch meine Schwägerin und meinen Bruder abgeholt, der vom Ruhrgebiet angereist kam, um morgen sein Marathon-Debüt zu geben. Eine ruhige und geruhsame Nacht in der UFA-Fabrik.

Und dann brach er endlich an, der Sonntag! Im Gegensatz zu meinen ersten beiden Marathons (2004 Berlin, 2005 Hamburg) fühlte ich mich sehr gut vorbereitet und hatte - vermeintlich - sehr gut trainiert. Den Trainingsplan von Herbert Steffny exakt eingehalten. Von der Theorie her dürfte eigentlich nichts schief gehen. Aber wie würde die Praxis im Wettkampf aussehen? Ich war schon ein bisschen aufgeregt. Wir fahren zur Friedrichstrasse und laufen zum Reichstag, wo wir gerade noch rechtzeitig zum Gruppenfoto des Berliner Marathon-Forums kommen.

Eigentlich wollte ich mich ja Hilgert anschliessen. Den kenne ich vom Forum und der ist der offizielle 4:30h-Pacer. (Also einer, der offiziell unter 4:30h laufen will und man kann sich ihm anschliessen). Das wollte ich eigentlich auch tun. Meine bisherige Bestzeit aus Hamburg lautete ja 4:58:57 - aber aufgrund meines Trainings hielt ich eigentlich die 4:30h für realistisch. War das nicht vielleicht ein bisschen zu ehrgeizig? Nun, ich wollte Hilgert so lange wie möglich folgen können. Doch dann das erste kleine "Malheur". Ich hatte ein gewisses natürliches Bedürfnis - doch es gab lange Warteschlangen und so konnte ich mich leider erst 2 Minuten nach dem ersten Startschuss erleichtern. Das führte dazu, dass wir nicht mehr richtig in unseren Startblock kamen und es gab somit auch leider keinerlei Chance mehr, zu Hilgert zu gelangen. Schade. Also beschlossen wir (mein Bruder wollte bei seinem Debüt gemeinsam mit mir laufen), dass wir die ersten Kilometer einfach ein klein wenig schneller laufen, um Hilgert möglichst bald einholen zu können.

Dann endlich der Startschuss auch für unseren Block. Es kann losgehen. Gänsehaut. Herrliches Wetter. Und gleich am Anfang schon die - mir sehr vertrauten - Gebäude der Technischen Universität, an der ich ja einige Jahre studieren durfte. Irgendwo in Moabit muss mein Bruder kurz ins Gebüsch und sagt mir, dass er mich gleich wieder einholen wolle. (Leider haben wir uns dann bis zum Ziel nicht wieder gesehen. Schade!). Ich laufe mein - relativ -zügiges Tempo weiter. Und dann: endlich! Bei Kilometer 12 ist plötzlich Hilgert's 4:30er-Gruppe vor mir! Klasse! Es gibt ein grosses "Hallo", weil einige aus meinem Marathon-Forum hier auch mitlaufen und ich muss meine Geschwindigkeit etwas abbremsen. Und ich denke mir, dass ich jetzt in diesem etwas langsameren "Wohlfühltempo" weiterlaufen würde. Immer die 4:30h als Ziel. Doch kaum hatte ich das ausgedacht, kam eine Verpflegungsstelle, wo ich mir sehr schnell einen Wasserbecher greife und sehr schnell weiterlaufe und dabei feststelle, dass ich mir dadurch einen kleinen Vorsprung vor Hilgerts Truppe erlaufen hatte. Auch fein! Ein Vorsprung kann ja schliesslich auch nicht schaden. Wenn dann nachher der unvermeidliche Einbruch kommen wird, dann wird er ja ohnedies aufholen. Also versuche ich den Vorsprung zu halten ... (und baue ihn dabei in Wahrheit sogar immer deutlicher aus).

Am Wilden Eber bin ich dann - wie mir einige "Augenzeugen" später berichten sollten - wohl in der Live-Übertragung des Fernsehens zu sehen. Eine Läuferin aus dem Berliner Marathon-Forum wird mir in Kürze die DVD zusenden. Mal schau'n. Am Wilden Eber ist jedenfalls immer super-Stimmung!! Danke, liebe sambatanzenden brasilianischen Mädels !! :-))

Es läuft super! Im wahrsten Sinne des Wortes. Mein Vorsprung auf Hilgerts 4:30er-Zeit beträgt mittlerweile über fünf Minuten. Damit würde ich - was mir unrealistisch erscheint - bei gleichbleibendem Tempo die 4:25h erreichen. Aber fang nicht an zu träumen, lauf lieber!! Bei Km 31 kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen - genau hier habe ich mich letztes Jahr bei meinem Marathon-Debüt zwischendrin von einer Berliner Masseuse die Beine massieren lassen! Das habe ich heute nicht nötig - meine Beine laufen völlig problemlos weiter.

Als ich auf den Ku'damm komme, ist dort sensationelle Stimmung. Griechischer Sirtaki unter anderem. Und eine grosse Gruppe schwäbischer Zuschauer, die laut jubeln als ich Ihnen mein Stuttgarter Laufshirt zeige! Danke, liebe Landsleute, so etwas motiviert !! :-)) Überhaupt ist am Ku'damm super Stimmung! Achim Achilles - ( Spiegel.de-Leser kennen ihn) - steht als Zuschauer am KaDeWe, aber glücklicherweise sehe ich ihn nicht und lasse mir dadurch meine Stimmung auch nicht vermiesen ;-).

Ab Kilometer 32 denke ich mir: ey, das ist jetzt "nur" noch ein 10-Km-Läufchen, was Du da vor Dir hast. Aber die Beine werden merklich schwerer und schwerer. Doch mein Vorsprung auf die 4:30er-Zeit beträgt mittlerweile beachtliche acht Minuten !! ... also weiterlaufen. Doch die Beine und mein Körper sagen mir, dass ich langsamer laufen soll, vielleicht sogar eine Gehpause machen soll ... nee, so'n Quatsch, liebe Beine, ich laufe weiter!! Jetzt ist alles nur noch eine mentale Sache. Man muss seine Beine und seinen Körper mental überlisten, indem man eine körperliche Erschöpfung einfach nicht zulässt und mental die Zähne zusammenbeisst. Das gibt enorme Kraft und ich laufe fast noch einen Tick schneller als vorher. Doch der innerliche Kampf zwischen langsamer werden wollenden Beinen und einem immer erschöpfteren Körper einerseits und der mentalen Kraft, niemals aufgeben zu wollen andererseits kämpfe ich mit mir selbst und laufe weiterhin gleichmässig mein relativ schnelles Tempo. Tolle Stimmung am Potsdamerplatz. Am Leipzigerplatz treffe ich einen vom Berliner Marathon-Forum.

Irgendwann - so zwischen dem Bundesjoschkaministerium und dem Schlossplatz - realisiere ich, dass heute sogar eine 4:20h statt einer 4:30h realistisch wäre! Immerhin hatte ich mir zu Hilgert mittlerweile 10 (!) Minuten Vorsprung erlaufen !! Unglaublich!! Jetzt will ich's aber wissen! Die 4:20h soll fallen! Werde ich zu übermütig? Wird sich das rächen? Ich ignoriere alle Erschöpfungs-Zeichen meines Körpers und laufe immer schneller - das ist jetzt an dieser Stelle nur noch eine rein mentale Angelegenheit. Du darfst nicht auf Deinen Körper hören, nur auf Deine Willenskraft. Hört sich vielleicht einfach an, ist es aber nicht. Bei einem Marathon kann man durchaus für's Leben lernen :-)

Unter den Linden. Zielgerade. Ich sehe in der Ferne bereits das Brandenburger Tor. Jetzt gebe ich richtig Gas! Ich spüre, wie sich mein Körper aufbäumt und eigentlich aufhören will, werde aber immer schneller und immer schneller. Und dann ist es endlich da: das Brandenburger Tor!!! Unglaublich - ich geniesse die Emotionen des Momentes. Bis zum Ziel sind es jetzt nur noch rund 200 Meter. Hier werde ich deutlich langsamer und geniesse das jubelnde Publikum, winke, strecke meine Daumen in die Höhe zum Publikum hin. Berliner, Ihr seid einfach fantastisch! Super besten Dank für Eure geniale Stimmung!

Nach einer - vorher - nie für möglich gehaltenen Zeit von 04:17:58h komme ich endlich im Ziel an. Dabei bin ich wohl offenbar an meine absolute körperliche Leistungsgrenze gegangen und stehe kurz vor einem Zusammenbruch, muss laut röcheln. Die umstehenden Läufer schauen mich besorgt an. Wäre ein Rot-Kreuz-Helfer in der Nähe gewesen - der hätte mich bestimmt erstmal mitgenommen. Doch nach einigen Minuten gelingt es mir, mich wieder einigermassen zu berappeln. Ich nehme die Medaille in Empfang und greife mir Gatorade zur Erfrischung und setze mich erstmal in die warme Sonne, wo mir erstmal alles so richtig bewusst wird und ich geniesse diesen grandiosen Zieleinlauf einfach nur noch !! :-)))

Ich lasse mich noch massieren (ooooh, das tut gut), dusche in den Duschzelten vor dem Reichstag und fahre zur UFA-Fabrik, wo ich meine Schwägerin und meinen Bruder treffe (Philipp, an dieser Stelle nochmal herzlicher Glückwunsch zum erfolgreichen Marathon-Debüt!!). Pasta im InterCity-Restaurant vom Bahnhof Zoo, ehe ich meinen Bruder in Richtung Ruhrgebiet verabschiede. Ich übernachte noch einmal in der UFA-Fabrik, ehe ich Montag wieder nach Frankfurt fahre und direkt ins Büro gehe, da ich leider keinen Urlaubstag erhalten habe. Aber sei's drum - das tut meiner guten Stimmung keinerlei Abbruch :-)

Ich bin wirklich sehr glücklich und vollauf zufrieden: meine Bestzeit um über 40 Minuten verbessert. Erstmals komplett ohne jegliche Pause oder Gehpause durchgelaufen. Erstmals keine Kopfschmerzen nach dem Lauf. Alles in Butter. Ich freue mich riesig und ich kann mich nur bei allen bedanken, die mich in den Tagen vor dem Wettkampf immer wieder aufgemuntert haben und bedanke mich vor allem auch dafür, dass ich überhaupt die Gelegenheit habe, einen solchen Marathon laufen zu dürfen.

Nun möchte ich mich im Frühjahr 2006 beim Paris-Marathon marginal verbessern, um mir dann für den Berlin-Marathon 2006 das Knacken der 4-Stunden-Marke als ehrgeiziges Ziel zu setzen.

Soviel mein Kurzbericht zum Berlin-Marathon, ich wünsche Euch noch einen schönen & erholsamen Tag, beste Grüße aus Frankfurt am Main,

Martin.

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© Oktober 2005 erstellt von Martin J. Zimmermann.
Letzte Änderung dieser Seite: 08. Oktober 2005.